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Wer mit Giftstoffen zu tun hat, muss sichere Schutzbekleidung tragen

Wer mit Giftstoffen zu tun hat, muss sichere Schutzbekleidung tragen. Quelle: thinkstock.de

Umweltskandal um Envio: Was ist so gefährlich an PCBs?

Das Recyclingunternehmen Envio GmbH hat seine Mitarbeiter ungeschützt der Chemikalie PCB ausgesetzt. Die Substanz reichert sich im menschlichen Körper an und führt zu chronischen Schäden. Nun startet der Gerichtsprozess, denn die Mitarbeiter fürchten um ihre Gesundheit. 

Nicht die Arbeiter initiierten den Prozess, sondern die Staatsanwaltschaft, nachdem eine Ermittlungskommission ein Jahr lang die Betriebsabläufe der Dortmunder Firma Envio beobachtet hatte.

Bei 86 Mitarbeitern der Firma wurden Blutkontrollen durchgeführt, die meisten davon waren mit PCBs, den Polychlorierten Biphenylen, belastet. In Einzelfällen lag der PCB-Blutgehalt sogar bei dem 25000-fachem des Normalwerts.

Gründe dafür seien unzureichende Schutzmaßnahmen. Laut Staatsanwalt entsorgten Arbeiter kontaminierte Transformatoren teilweise ungeschützt, standen bis zur Wade in giftigem Schlamm und wenn es Schutzanzüge gab, so waren es welche von minderer Qualität. Auch die Gefahrstoffmessgeräte wären regelmäßig ausgeschaltet geblieben, um den laufenden Betrieb nicht zu unterbrechen.

PCB – Was ist das?

Polychlorierte Biphenyle – die PCBs – sind seit 1989 in Deutschland verboten. Als nicht-leitende Chemikalie wurden sie vor allem als Isoliermittel verwendet. Verarbeitet wurden sie in Transformatoren, Kondensatoren und Hydraulikanlagen. Man findet sie in bestimmten Dichtmassen, Kunststoffen oder auch als Weichmacher in Lacken. Seit 2001 sind sie sogar weltweit verboten, denn sie gehören zu den „dreckigen Dutzend“. Das sind zwölf organische Giftstoffklassen, die aufgrund ihrer Eigenschaften wie Langlebigkeit und schwerer Abbaubarkeit besonders schädlich sind. PCBs, das ist nicht nur ein Stoff, sondern eine Stoffgruppe von 209 Einzelsubstanzen. Sie unterscheiden sich nach der Anzahl ihrer Chloratome.

Gesundheitliche Auswirkungen

PCBs sind hochgiftig. Auswirkungen reichen von Chlorakne, Haarausfall und Pigmentstörungen über Schädigungen des Immunsystems bis hin zu hormonartiger Wirkung. Sie stehen in Verdacht, verweiblichend zu wirken. Das äußert sich beispielsweise dadurch, dass Männer und männliche Tiere unfruchtbar werden. Zudem wird ihnen zugeschrieben, krebserregend zu sein. Bereits der Embryo kann Schaden nehmen und die geistige und körperliche Entwicklung kann sich verzögern.

Das ist ein extrem breites Spektrum an möglichen Folgen, wenn die Chemikalie in den Organismus gelangt. Problematisch ist vor allem, dass PCBs sich im Körper anreichern, der Körper scheidet sie weder aus, noch baut er sie zu unschädlichen Substanzen ab. Der menschliche Körper unterliegt der Belastung also über einen langen Zeitraum, man spricht daher auch von chronischer Toxizität.

Durch dieses „Anreicherungsverhalten“ findet man PCBs auch in Tieren. Die Tiere am Ende der Nahrungskette enthalten dabei die größten Mengen der Chemikalie in ihren Körpern.

Nahrungsmittel sind aber nur ein möglicher Aufnahmepfad von Chemikalien.  PCB-haltige Stäube werden eingeatmet, ja, PCBs dringen sogar durch die Haut. Wenn Arbeiter also in PCB-haltigen Schlämmen stehen, kann man sich vorstellen, dass der Weg in den Körper ein kurzer ist.

Unsachgemäße Entsorgung

PCB-haltige Produkte müssen als Sondermüll entsorgt werden. Das heißt, die Entsorgung darf nur unter besonderen Vorsichtsmaßnahmen erfolgen. So müssen PCB-belastete Transformatoren eigentlich untertage auseinander gebaut werden.

Im Falle von Envio sollen sie stattdessen unzulässig auf dem Firmengelände im Freien zwischengelagert und sogar geöffnet worden sein. Auch eine funktionierende Absaugvorrichtung soll gefehlt haben, so dass kontaminierter Staub freigesetzt wurde und PCB-haltiges Öl auf den Boden gelangte.

Das Gericht geht davon aus, dass der Prozess noch Monate dauern wird.

Text: Danijela Milosevic

Quelle: Spiegel online, Mainzer Tageszeitung